Allgemeines
Die Festung der Stadt Mainz besteht heutzutage zu großen Teilen aus einer Sammlung an Einzeldenkmälern, die um die Stadt verteilt, bzw. in Innenstadtnähe liegen. Ihr Erhalt ist aus vielerlei Gründen von dringender Notwendigkeit. Wir leben heutzutage in europäischen Friedenszeiten und Festungsbauten erinnern uns an vergangene Kriege – sie wirken mahnend. Leider verfallen viele dieser Bauten zunehmend und geraten in Vergessenheit. Sie haben darüber hinaus nicht nur als Denkmal, sondern auch als Biotop eine besondere Funktion. Oftmals konnte sich an und in diesen Gebäuden, die häufig über mehrere Jahrzehnte hinweg relativ unberührt von äußeren Einwirkungen blieben, ein ganz eigenes Ökosystem entwickeln. Diese Denkmäler sind daher ein wichtiger Schlupfwinkel für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten.
Geschichte
Von der Antike bis ins späte 19. Jahrhundert blieb die Umschreibung der Mainzer Kernstadt erstaunlich konstant. Die Siedlung diente über mehrere Jahrhunderte primär einem militärischen Zweck der sie auch erheblich prägte. Während sich andere Städte weit in das umliegende Land ausbreiten durften, begrenzten militärische Baubeschränkungen die Mainzer Stadtbevölkerung in ihrem Aktionsradius auf das Gebiet der heutigen Altstadt. In diesem kleinen Areal entwickelte sich bis in das späte 19. Jahrhundert hinein eine immense Bevölkerungsdichte. Erst mit der Stadterweiterung der heutigen Neustadt wurde die Siedlungsgrenze erstmals aufgebrochen und neu definiert. Fast zeitgleich wurden die Festungsbauwerke nahe der Innenstadt durch die rasante Entwicklung der Waffentechnologie obsolet. In den darauffolgenden Jahrzehnten erfolgte ein Abbruch zahlreicher Gebäude und Wälle und die Stadt erhielt innerhalb kürzester Zeit ein neues Gesicht, das die Spuren der Vergangenheit zu kaschieren suchte. Doch einige dieser Spuren sind bis heute erhalten geblieben und zeichnen sich noch immer im zeitgenössischen Stadtbild ab.
Die Mainzer Festungsgeschichte beginnt im 17. Jahrhundert, als der Mainzer Kurfürst Johann Schweickhardt von Cronberg Modernisierungsmaßnahmen an der wehrtechnisch veralteten, mittelalterlichen Stadtbefestigung veranlasst: Er beginnt mit dem Bau der sog. Schweickhardtsburg; dem Vorgängerbau unserer heutigen Zitadelle.
Die schwedischen Besatzer befestigen im darauffolgenden Dreißigjährigen Krieg erstmals die umliegenden Anhöhen mit Erdwällen und errichten auf der gegenüberliegenden Rheinseite die nach ihrem König benannte Gustavsburg. Nachdem Mainz in Folge einer Belagerung von kaiserlichen Truppen zurückerobert wurde, verfielen diese Schanzen wieder.
Kurfürst Johann Philipp von Schönborn ließ ab 1655 die Stadtmauer zu einem zeitgemäßen Bastionengürtel ausbauen. Die herausfordernde Geländetopographie rings um die Altstadt prägte die Baumaßnahmen, die durch verschiedene Ingenieure umgesetzt wurde. Wir können dadurch und anhand der überlieferten Quellen und Karten mehrere Bauabschnitte identifizieren, die bis in das späte 17. Jahrhundert hinein angelegt wurden. In dieser Bauphase entstand auch die heutige Zitadelle. Abschließend umschlossen 14 einzelne Bastionen, die sternförmig in das umliegende Land wiesen, das Gebiet der heutigen Altstadt.
Kurz nachdem die barocke Bastionierung abgeschlossen war, brach der Pfälzische Erbfolgekrieg aus. Auch Mainz blieb von den Auswirkungen des Krieges nicht verschont, musste 1689 kampflos französischen Truppen übergeben werden und konnte kurz darauf zurückerobert werden. Während dieser Auseinandersetzungen stellte sich heraus, dass der innere Verteidigungsring wehrtechnisch bereits veraltet war und von den umliegenden Anhöhen aus eine erhebliche Gefahr ausging.
Daher ließ Kurfürst Lothar Franz von Schönborn durch den barocken Festungsbaumeister Maximilian von Welsch einen zweiten Verteidigungsring planen. Der Ausbau dieses zweiten Ringes erfolgte in zwei Bauphasen, die Welsch zunächst selbst plane und später primär begleitete und überwachte. In der ersten Ausbauphase (1713-1725) wurden die Forts auf dem Hauptstein, dem Linsenberg und dem Albansberg errichtet. In der zweiten Ausbauphase (1734-1736) folgten kleinere Schanzen, die eine Flankierungsmöglichkeit der bestehenden Forts schaffen sollten.
In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde Mainz zu einem heftig von den militärischen Großmächten umkämpften Militärstandort. Ab 1792 entstanden daher die ersten Teilstücke einer dritten Verteidigungslinie. Dabei wurde unter französischer Besatzung auch immer wieder die rechtsrheinische Seite weiter ausgebaut. Unter anderem entstand eine erste Befestigung auf dem Hartenberg, sowie verschiedene kleinere Schanzen auf der Maaraue.
Im Jahr 1814 ging die Festung schließlich zurück an die alliierten Mächte Preußen und Österreich. Während städtische Angelegenheiten dem Großherzogtum Hessen unterstellt waren, oblag die Verwaltung der Militärbauten ab 1825 dem Deutschen Bund. Mainz zählte nun neben Luxemburg, Landau, Rastatt und Ulm zu den fünf Bundesfestungen und wurde gleichermaßen von preußischem und österreichischem Militär betreut. Zischen 1825 und 1866 erfolgten zahlreiche sehr intensive Ausbaumaßnahmen der Bundesfestung, die sich nicht nur auf das Umfeld der Stadt bezogen, sondern auch innerstädtisch bis heute nachvollzogen werden können. Trauriger Tiefpunkt aller vom militärischen Nutzen der Stadt unmittelbar beeinflussten Ereignisse stellt in diesem Zeitraum die Explosion des Pulvermagazins auf dem Kästrich dar, die 13 Soldaten und 23 Mainzer das Leben kostete. Weitere 28 Schwerverwundete und 300 Leichtverletzte wurden gezählt.
Während nach dem Ende des Deutschen Bundes die Festungsanlagen der Stadt durch Preußen übernommen wurden, verlor Mainz nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 durch die Grenzverschiebung nach Westen an militärischer Bedeutung. Dennoch wurde ein letzter äußerer Fortgürtel geplant, dieses Mal mit einigem Abstand von bis zu 8 km zum Hauptwall und der Innenstadt. Der innerste Befestigungsring hatte mittlerweile an Bedeutung verloren; gleichzeitig drängte die Stadtbevölkerung zunehmend auf eine Lockerung der militärischen Baubeschränkungen im Umland. Die bastionäre Befestigungslinie wurde daher 1875 im Norden der Stadt aufgegeben und die heutige Neustadt angelegt, die von einzelnen Kavalieren entlang einer neuen Befestigungslinie geschützt werden sollte: Dem sog. Rheingauwall. Die Technik entwickelte sich allerdings so rasant weiter, dass die Erfindung der Brisanzgranaten Mitte der 1880er Jahre die erst jüngst fertiggestellten und durch die Erfindung der gezogenen Geschütze erforderlichen massiven Ausbaumaßnahmen an der Festung schlagartig obsolet werden ließ.
Der Schutz der Stadt musste nun mit der Selzstellung in das weite Umland verlagert werden. Gleichzeitig wurden die Festungsgräben im innerstädischen Areal verfüllt und militärische Hochbauten abgerissen. Spätestens mit dem Ende des Ersten Weltkrieges war das Schicksal der Festung endgültig besiegelt.
Der Umgang mit vereinzelt erhaltenen Festungsbauwerken wurde in den 1930er Jahren in der Stadtbevölkerung heftig diskutiert. Einige wurden in Freizeit- und Parkanlagen integriert und einer neuen Nutzung zugeführt. Andere wiederum verfielen und dienten im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg als Notunterkünfte. Die daraus resultierenden Elendsquartiere prägten das schlechte Image der Bauwerke derart, dass der historische Baubestand bis in die 1980er Jahre noch zugunsten einer modernen Wohnbebauung weichen musste.
Vereinzelte Festungsbauwerke haben die Zeit bis heute überdauert. Es ist zu begrüßen dass sie durch die Mainzer wiederentdeckt und in das moderne Stadtbild eingebunden werden.
Die Festungsanlagen von Mainz sind in ihrer Gesamtheit ein für die Stadtgeschichte wesentliches Denkmal. Sie sind nicht nur Geschichtszeugnisse, sie prägen die Stadtentwicklung, die Wirtschaft, die Bewohner und deren Lebensgeschichten über Jahrhunderte. Es ist unser aller Aufgabe dieses Zeugnis der Militär- und Sozialgeschichte einer überregionalen Verteidigungslandschaft zu bewahren und seine Geschichte zu tradieren.